Leitmotive

Leitmotive

Welt

Die Welt, das Andere, das Nicht-Ich, das Unbekannte. Das, zu dem ich mich ins Verhältnis setzen will. Um mich zu erkennen. Mich im Nicht-Ich zu verorten. Die Welt begegnet mir und ich ihr. Ich strecke meine Hand aus und spüre. Spüre die Kälte und Feuchtigkeit von Wellen, die Stacheln von Sträuchern, die Kraft des Windes, die Härte von Stein, die Wärme von Haut. Ich spüre das von mir Getrennte.  Und ich wünsche mir Verbindung. Verbindung mit der Welt.

Das Nicht-die-Welt, das Eigene und doch nur eine Selbst-Repräsentation als Teil einer Welt-Repräsentation. Das Ich ist, was sich nur im Nicht-Ich als Ich wiederzuerkennen vermag. Psychologische Kontrastbildung.

Ich

Kamera

Die klassische Definition von Fotografie setzt keine Kamera voraus. Sie spricht lediglich von einem Aufnahmeverfahren, bei der ein Bild mittels Einwirkung von Licht auf einer lichtempfindliche Schicht eingeschrieben wird. Doch erst mit der Kamera wird aus dem Bild etwas, das Welt darzustellen in der Lage ist. Die Kamera und das Objektiv sind notwendige Hilfsmittel um Welt festzuhalten. Sie sind mein Hilfsmittel um mich mit ihr zu verbinden. Die Kamera legt aber auch eine ganz bestimmte Konstruktion von Raum und von Zeit fest. So wird die abgebildete Welt durch die Kamera selbst zu einer Konstruktion. Objektiv und Kamera machen aus der Welt ein Subjekt(iv).

„Ceci n’est pas une pipe“, sagt Magritte über eines seiner Bilder. Semiotiker unterscheiden weiter zwischen dem Gegenstand, dem Bild des Gegenstands und dem Begriff des Gegenstands (seinem „Konzept“). Hubert Damisch lotet das in seiner „Theorie der Wolke“ detailliert aus. Was bedeutet das aber für das Verhältnis von Gegenstand zu Bild? Was sagt uns das Bild über die Welt? Welche spezifische Funktion kann die Fotografie als Welt-Verbindungs-Werkzeug einnehmen?

Bild

Gestalt

Formen auf einer Fläche. Figuren, die sich gegen andere abgrenzen. Gestalt als wahrnehmbare Einheit. Und doch ist sie nicht Gegenstand. Entbehrt ihre eigene Materialität und tauscht sie gegen die Materialität einer Fotografie aus. Nimmt auf der Fläche vorgegebene (oder vorzugebende) Plätze ein. Die Fotografie wird zum Dispositiv, auf dem Gestalt gewordene Welt ausgebreitet und zueinander ins Verhältnis gesetzt wird.

Es ist nur ein vergangener Zeitpunkt, eine fixierter Augenblick. Es ist eingefrorene Zeit. Oder doch nicht? Die Wahl von Verschlusszeit konkurriert mit der Dynamik der zu fotografierenden Objekte, konkurriert mit einer Welt die sich fortlaufend verändert. Das entstandene Bild ist nur scheinbar eine Momentaufnahme. Die Kamera konstruiert ein aus Veränderung kumuliertes Bild. Die Gestalt entsteht als Summe der Veränderungen des Gegenstands. 

Zeit

Raum

Die Kamera lässt den dreidimensionalen physischen Raum zu einem zweidimensionalen Ausschnitt kollabieren. Sie konstruiert einen neuen Raum aus den Gesetzen der Zentralperspektive. Die Kamera funktioniert ideengeschichtlich auf dem Stand der Renaissance.

Der fotografische Akt fixiert den Schnitt der Kamera durch Raum und Zeit. Das fotografische Bild transportiert die Gestalt in neue Räumen und Zeiten. Bildverständnis entsteht im Akt der Betrachtung. Der Raum der Bedeutungen wurzelt in der kontingenten Natur der Gestalt. Was darin ist wahr? Was wirklich? Was von Relevanz? 

Fotografie

Welt

Im Selbstbild ist das Weltbild enthalten.

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  1. Update, 18.05.: den Absatz zu „Fotografie“ überarbeitet.

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