Nomen est omen

Nomen est omen

Namensgebung ist eine Kunst für sich. Das lässt sich nicht verleugnen. Eine Kunst deshalb, weil mit der Benennung nicht nur Identität geschaffen wird, sondern auch Charakter, Kontextualisierung und damit Steuerung der Wahrnehmung des Benannten. Schreibweisen spielen dabei nur eine untergeordnete Rolle. 

Als ich vor einem Jahr die Aufgabe, ein IT-System zur web-basierten Antragsstellung und -bearbeitung aufzubauen, übernahm, da war eine meiner ersten Amtshandlungen genau dieses Thema zu setzen. Mein Vorschlag seinerzeit lautete Online-Antragssystem, kurz OASys. Ich bin damit leider gescheitert. Das Ergebnis lautete Online-Antragsmanagement, kurz OAMan. Die Folge ist nun, dass sich keiner den Namen, geschweige denn das Kürzel merken kann und, zusätzlich belastend, die Bedeutung des Kürzels diffus ist. Manche assoziieren es mutmaßlich mit irgendwelchen Superhelden. In der Art „He-Man“ (Erinnert ihr euch? Gehörte auch zu den Masters of the Universe…). Andere denken wohl an ein arabisches Sultanat. Beides eher fragwürdige Assoziationen. Ich bedauere heute noch, dass es nicht OASys wurde. Damit lässt sich durchaus ein Surrounding verbinden, in dem Gutes und Schönes gedeien kann. Mein eigenes Scheitern sei hier mal mit auf den Weg gegeben, wenn ich mich über Namensgebung und deren Wirkung auslasse.

Vor 30 Jahren, als ich an meiner Diplomarbeit arbeitete, musste ich Experimente am Hahn-Meitner-Institut machen. Ich brauchte Strahlzeit an einem Beschleuniger mit dem lustigen Namen VICKSI. Nun gut, das Framing war gesetzt. Den Namen gibt‘s heute nicht mehr. Geht irgendwie auch gar nicht. DESY in Hamburg, ebenfalls ein Beschleuniger, klingt auch nur mäßig besser. BESSY, ein Elektronensynchrotron … und so zieht sich das bis heute durch. 

Sisyphos ein relativ aktuelles Beispiel, in welcher Schreibweise auch immer. Aber „Nomen est omen“ ist halt nicht nur ein lustiges Wortspiel, es birgt auch eine Wahrheit: nämlich, dass der Name auf das Benannte rückwirkt. Ich meine, wollen wir in unseren Projekten immer und immer wieder den Stein bergauf rollen? Nur um ihm frustriert nachzuschauen, wenn er uns entgleitet? Und so findet auch dieses Projekt einfach kein Ende. Seit mehr als zehn Jahren… es läuft und läuft und läuft und… (vielleicht hätte man es Käfer nennen sollen, der lief auch, wohl aber positiver konnotiert.)

Aladin, nun gut, selbst Held eines Märchens, aber… Leute, reibt bloß nicht an der Wunderlampe. Da kommen Djins raus, die machen euch das Leben richtig schwer und ihr werdet sie nie wieder los. Und tatsächlich, so verhält es sich auch in Realität. P-Büchse heißt das Konstrukt unterdessen bei mir – in Ahnlehung an diverse vermeidend majuskilierte Bindestrichwortkonstrukte. Und auch hier gleich ein weiterer Fehler meinerseits – ihr ahnt es: ich rieb. Wider besseren Wissens. Und ich weiß aktuell nicht, wie ich die bösen Geister nun wieder in die Lampe zurückbekomme. Mutmaßlich, auch wenn es mir widerstrebt, wie im Märchen: nur durch Täuschen und Tricksen.  

Meine Empfehlung: lasst uns sorgsamer mit Namen umgehen. Sie sind mehr als ein Label. Sie legen den Grundstein für Eigenschaften, die uns gefallen oder eben auch nicht. Und sie bestimmen ganz heimlich aber maßgeblich im Hintergrund, ob wir eher kämpfen müssen oder ob wir pflegen und gestalten können. 

P.S.: ich spreche schon lange nicht mehr von OAMan, sondern nutze die Langbezeichnung Online-Antragsmanagement. Das Kürzel ist – von der formalen Kennzeichnung von Dokumenten- und Mailkontexten mal abgesehen – einfach hinderlich und damit dysfunktional.

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