Resonanz

Resonanz

Vor einigen Wochen, als ich mich mit Ralf Hanselle wegen des Essays zu Terrain vague getroffen hatte, da erzählte er mir von einem Buch, das in den letzten Monaten in der Soziologie einige … naja Resonanz gefunden hatte: Hartmut Rosa, Resonanz

 

 

Es hat mich ziemlich beschäftigt, auch angstrengt; die 800 Seiten zu lesen ist tatsächlich Arbeit. Ich bin dann, zugegebenermaßen, auch über diverse Stellen sehr unresonant hinweg gegangen. Aber am Ende blieb die nicht ganz mit dem physikalischen Blick in Übereinstimmung zu bringende Metapher. Sie hat sich ganz gut in mein Weltverständnis eingebettet. Hilft mir zu manchem Gelassenheit zu entwickeln, manches mir zu erklären, oder besser zu beschreiben, was sonst eher Widerstand, Kraft und Energie kostete. 

Wie komme ich darauf?

Ich bin die Tage über den Begriff Echo gestolpert. Ich sah einen Hinweis auf ein Essay, in dem es mutmaßlich auch um ein Weltverständnis ging. Ich fühlte mich an mein Resonanzbild erinnert, – auch, weil das Echo für mich, genauso, wie seinerzeit die Resonanz eine primär physikalische Vorstellung auslöst. Als ich ein bisschen später recherchieren wollte, da fand ich ihn nicht mehr. Macht aber nichts, jedenfalls nicht für diesen Beitrag. Glaube ich – hoffe ich.

Eine der Thesen, die Rosa in den 800 Seiten entwickelt ist, dass wir unter sich beschleunigenden Rahmenbedingungen den Kontakt zu den Menschen oder Dingen, mit denen wir uns beschäftigen (müssen), verlieren. Es entsteht eine Art Entfremdung, eine Entfremdung die zwischen uns und unserem Gefühl eines erfüllten Wirkens, Seins, ja Lebens steht. Um letzterem näher zu kommen, müssen wir den Kontakt zu den Menschen und Dingen wieder aktiv suchen und gestalten. Für Rosa ist’s noch mehr, er fordert, dass die äußeren Rahmenbedingungen, die zu dieser Entfremdung beitragen, verändert werden müssen. Ich selbst denke, dass das nicht unbedingt so sein muss. Dass sich die äußeren Rahmenbedingungen schon von selbst ändern werden, wenn die agierenden Individuen bewusster ihr Verhältnis zur Welt danach ausrichten, was für sie gut ist. 

Dieses Verhältnis zur Welt ist ein Resonanzverhältnis. Als System verhalten wir uns, ich und die Welt, in einer aufeinander bezogenen Art und Weise. Das bedeutet nicht notwendigerweise Harmonie, es bedeutet auch und vor allem ein vermeintlicher Missklang. Vermeintlich, weil ich glaube, unterschiedliche Haltungen, Meinungen, Herangehensweisen, Standards und Normen nicht im Wettbewerb stehen; sie stehen als Elemente von Vielfalt in Freiheit nebeneinander. Es entstehen aus solchen „Missklängen“ einfach neue, durchaus komplexe, Klangqualitäten. Resonanz ist nun, genau diese Elemente wahrzunehmen, sie in ein Verhältnis zum eigenen Denken, Fühlen und Handeln zu setzen, dabei letzteres auch bewusst oder unbewusst zu verändern. 

Ein Verständnis des Echobegriffs könnte wohl ein vergleichbares sein. Auch da steht eine Relation zwischen einem Ich und der Welt im Zentrum des Bildes. Ein Klang, der entsteht, in die Welt geschickt wird, und von ihr – modifiziert – zurückgeworfen wird. Auch daraus kann eine Dynamik der Vielfalt erwachsen. Der Klang, auf seinem Weg in die Welt verändert sich mit jedem Felsvorsprung, auf den er trifft. Sein Klangspektrum wird ergänzt, es entstehen neue Obertöne, neue Formanten. Die zeitliche Entwicklung des Klangs, sein Amplitudenverlauf wird durch die Welt moduliert. Manche Klanganteile haben längere Laufzeiten, andere werden nach kurzer Zeit schon verklingen. Es ist am Ich, das wiederum wahrzunehmen, es kommt ja schließlich wieder zurück, und… in die eigene weitere Klangerzeugung mit aufzunehmen. 

Und doch. Beide Bilder sind irgendwie unzureichend. Sie fokussieren auf ein Weltverständnis, bzw. auf ein Verhältnis zwischen Ich und der Welt, und weniger auf Ich-Verständnis.  Es bleibt ein diffuses Gefühl, dass in dieser Betrachtung etwas ausgelassen wird. Dieses etwas, vielleicht eine Art „nur-mit-mir-zufrieden-sein-können“, es liegt da einfach ein bisschen daneben. Taucht höchstens randlägig dazu auf. Welt ohne Resonanz, das ist’s nicht. Das ist dieser von Rosa festgestellte Entfremdungsbefund. Welt ohne Echo, könnte das so etwas sein? Ein sich isolieren, das aber trotzdem mit Erfüllung gelebt werden kann? Eine fast spirituelle Sache, oder?

Insofern, gibt’s wohl dich Unterschiede zwischen dem Echo und der Resonanz. Ich glaube, das wird in meinem Kopf noch ein paar Runden drehen. Aber in diesem Moment der Synapsenbewegung bin ich ohne Echo glücklich. Auch wenn ich mit dem Blog ab und an dann auch nach Resonanz suche. 😉

 

This Post Has 2 Comments

  1. Anregend.

    Für mich bedeutet der Begriff Resonanz im übertragenen Sinn (also jetzt mal nicht physikalisch) Angesprochen-Sein, und bedingt dadurch eine Art Echo. Ist Resonanz also eingetreten, dann werfe ich der Umwelt ihr Echo zurück, welches dann in umgekehrter Form als Echo der Umwelt zu mir zurückkommt.

    Ob diese Umwelt nun belebt im menschlichen oder im nicht-menschlichen Sinn ist, halte ich für zweitrangig. Es entsteht Raum für das sich-in-der-Welt-genug-sein. Umwelt ist ja immer da, und belebt wie belebend ist sie auch. Nicht immer, denn manche Umwelt ist fast oder ganz lebensfeindlich. Bei manchen Mitmenschen will ich nicht anstreifen.

    LG
    Richard

    1. Richard,
      Irgendwie wusste ich, dass das den Physiker anspricht. Auch wenn er übergreifende Bedeutungen heranzieht. Schön, das freut mich. Damit ich nicht alleine bin…

      Nein, Scherz beiseite.
      Resonanz hat ja ohnehin schon eine umgangssprachliche Bedeutung, eine, die da gut dazu passt. Auf Resonanz stoßen ist bekannt. Und doch geht’s ein wenig darüber hinaus. Es ist eben mehr, als nur Gehör finden. Und das könnte durchaus auch ein Unterschied zum Echo sein. Resonanz macht etwas. Es verstärkt, es verstärkt vielleicht auch selektiv… und ja: Dein Hinweis, dass dabei Raum entsteht, Raum nicht nur für das Miteinander, sondern für das Ich, das ist eine wirklich schöne Ergänzung. Gefällt mir gut.

      Dankeschön. Und hab‘ einen schönen Abend noch.
      Jürgen

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