Landschaft – Zwischen Wahrnehmung und Projektion

Landschaft – Zwischen Wahrnehmung und Projektion

Landschaft ist ein Abenteuer. Warum? Weil die Beschäftigung mit ihr mir ihre Vielfalt und Reichhaltigkeit, ihre Wirkung und Funktion aber auch ihre unerwartete Sprachfähigkeit aufzeigt.

Die freien Tage um Ostern haben mir gut getan. Mir ein wenig nötigen Abstand vom Projekt verschafft. Und ich konnte mir viel Zeit zum lesen und nachdenken nehmen. Was anfangs die übliche Neugier auf ein neues Thema hat mittlerweile den Literaturkatalog einer kleinen Forschungsarbeit angenommen. Ich lese mich durch Dissertationen und Studien, mache mich auf Suche nach Referenzen, lege mir ein Archiv an Materialien an. Bilder, Texte, Links…

Und ich habe die Zeit genutzt um mal wieder in Ruhe fotografieren zu gehen. Absichtsvoll, aber ohne Ausschlusskriterien. Und ich mache dabei die Erfahrung, dass durch die Recherche und das Studium mittlerweile ein Bild im Kopf entstanden ist, das meine Intuition beim Fotografieren ganz gut leitet.

 

Landschaft ist eben kein „Ding“, das einfach so da ist, sondern eines, das wir uns im Kopf zusammenbauen. Und eines, das außergewöhnlich stark durch kulturelle Projektionen geformt wird. Weil Landschaft aber so selbstverständlich ist, funktioniert dieser Konstruktionsprozess weitgehend unbewusst, und wir halten dann Landschaft doch für ein „natürliches“ Phänomen.

Was ist Landschaft? Was gehört zu ihr, was nicht? Wie erzeugen wir dieses Konstrukt in unserem Kopf? Wie schaffen wir aus den Objekten, die wir wahrnehmen, in ihrer räumlichen Anordnung die Bedeutung, die wir dann mit einem landschaftlichen Begriff in Verbindung bringen?

Weitergehende Fragen, könnten dann sein: welche Funktion nimmt sie denn ein, die Landschaft? Welchen Beitrag schafft das Konstrukt in unserem Kopf um uns zu unterscheiden? Um Identität zu schaffen? Oder Zugehörigkeit? Welche Eigenschaften des Konstrukts dienen denn dieser Funktion? Sind’s nur ästhetische? Oder auch historische? Oder gar ökonomische?

 

Ich habe noch keinen ausgefeilten Plan, welche Richtung ich verfolgen will, was mir aber klar geworden ist, ist, dass sich dahinter ein unerwartet vielschichtiges Thema verbirgt. Fotografisch habe ich in den letzten Wochen dazu drei Ansätze entwickelt.

 

1. Stadtrand, Suburbane Landschaft

 

Wie ich diese erste Serie fotografiert habe, musste ich feststellen, wie unwahrscheinlich vielfältig aber auch komplex Landschaft am Stadtrand doch ist. Bislang bin ich immer daran vorbeigefahren. Habe „langweilige“ Agrarflächen gesehen, die dann erst auf Einfamilienhäuschen und / oder auf Mehrfamiliensiedlingen / Hochhäuser gelaufen sind. Nach der Fototour hab ich dann erstmal wahrgenommen, wie sich Enge und Weite aneinanderschmiegen, wie Bebauung in Brachland einfließt, wie agrarische Nutzung in Infrastrukturen greift, wie Bepflanzung in Siedlungen und außerhalb ausschaut.

Hier ist auch ein Typ Landschaft, der viel mit Identität zu tun hat. Viel mit den Menschen die da wohnen, sich Eigentum aufgebaut haben. Sich auch alleine schon dadurch angegriffen fühlen, wenn man dort fotografiert.

Das ist in jedem Fall ein Strang, den ich weiterverfolgen werde.

 

2. Heimat, klassische Kulturlandschaft

 

 

Das ist tatsächlich in meiner Heimat entstanden. Es ist ein Landschaftstyp, in dem ich groß geworden bin. Natürlich empfinde ich viel Verbundenheit damit, habe aber auch ein Unbehagen. Auf den ersten Blick hat es doch etwas von dieser Form einer Ideallandschaft, der ich ausweiche. Andererseits ist beim zweiten Blick deutlich erkennbar, dass es eine Landschaft ist, bei der jeder Millimeter kulturell überprägt ist. Bei der alles einer ökonomischen Nutzung erschlossen ist. Und diese überaus intensiv ausgeübt wird.

Technisch gesehen ist ein solch extremes Panorama digital kaum präsentabel. Was ich mir vielleicht vorstellen könnte, wäre, es als Großdruck (die Größe ist 2.80 Breite bei 300dpi) in einer Ausstellung zu hängen. Passt aber auch nicht in jede Ausstellung…

Ich weiß noch nicht genau, ob ich diesen Weg weiterverfolgen mag.

 

3. Schönower Heide – Historische Landschaft

 

Die Fotosession in der Schönower Heide war eine ganz spezielle Erfahrung. Ich war da und war sofort gefangen von Erscheinungen, die gar nicht so viel mit dem vermeintlichen Naturschutzgebiet zu tun zu haben scheinen. Die Bilder wachsen – jedenfalls bei mir – über Bedeutung der abgebildeten Landschaft hinaus. In meinen Augen oder durch meine Objektive hat sich die Geschichte als Militärübungsgelände von den kaiserlichen Truppen bis zur Roten Armee in den Bildern erst subtil und dann immer deutlicher und massiver manifestiert.

 

 

Das wird voraussichtlich mein Jahresprojekt. Eine Landschaft, die ihre Geschichte quasi auf dem Präsentierteller trägt. Ich werde sie noch ein paar Mal besuchen und auch andere Aspekte noch einfangen versuchen. Aber sie hat einen Charakter, und der kommt mehr aus ihrer Geschichte und weniger aus ihrer Bestimmung als Naturschutzgebiet.

 

Fazit

Mich hat’s gefangen genommen. Was mit dem Unbehagen über die Landschaftsbilder der Romantik aber auch einer Form der Landschaftsfotografie, wie sie z.B. von Ansel Adams durchgeführt wurde, begann, hat mir eine deutlich veränderte Sichtweise des Phänomens Landschaft beschert. Und meine Neugier geweckt. Ich glaube, dass da noch ein Reihe von Fotoarbeiten schlummern, die nur darauf warten, dass ich sie an die Luft bringe.

Die Schönower Heide, der Stadtrand in Richtung Regionalpark, die Fluß und Bachauen, der Norden Berlins und der angrenzende Barnim scheint eine kleine Schatzkammer zu sein. Aber auch die Soziologie um Landschaften herum. Mal schauen, was daraus alles noch erwächst. Ich genieße es sehr.

 

 

 

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