Deprivation ist eine Kollektion von KI-generierten Bildern. Die Bilder beschäftigen sich mit dem Zusammenhang zwischen den möglichen Auswirkungen der Erderwärmung und Migrationsbewegungen – und damit mit der Entwurzelung von Menschen. Es ist eine Art Entbehrung oder Entzug – nicht nur von Gewohntem, auch von Existentiellem.
Vielleicht stehen wir nicht unbedingt vor dem „Aussterben als Gattung“, möglicherweise aber vor großen gesellschaftlichen Erschütterungen. Dem nachlassenden Funktionieren von staatlichen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Strukturen. Vor einer für uns ungekannten Entwurzelung und damit vor der buchstäblichen Notwendigkeit unsere Komfortzonen zu verlassen. Deprivation ist eine Dystopie – auch wenn die Bilder selbst keine Gewalt darstellen, so ist das Momentum der Destabilisierung und des Verlusts doch überall spürbar.
Deprivation ist ein Begriff, der eine Wahrnehmungsblockade, vielleicht auch einen Verlust von Bezug zur Realität bezeichnet. Etwas, das häufig eine traumatische Ursache hat. Die Abkopplung der Wahrnehmung von Gefühlen oder Erinnerungen greift dann als Schutzmechanismus. Die Bilder dieser Arbeit sind keine Erinnerung. Sie weisen in eine Zukunft und sie verursachen Unwohlsein, erzeugen vielleicht sogar Angst. Schließlich blicken wir möglicherweise auf uns in ein paar Jahren. Und dennoch schauen wir allzu gerne weg. Produzieren weiterhin klimaschädliche Emissionen, frönen weiterhin dem Kapitalismus als Grundprinzip, huldigen weiterhin dem Wachstumsglauben und denken immer nur bis zum heutigen Abend. Wir verdrängen die Realität. Wir ignorieren sie. Einige verleugnen sie gar. Deprivation.
KI generierte Bilder sind selbst entkoppelt. Sie fristen ein Dasein, das sich aus der Vorstellung der Betrachterinnen speist. Der Bezug zur Realität ist ein rein konstruierter. Im Gegensatz dazu sind Fotografien immer mit der realen Welt verbunden. Ohne Welt – keine Fotografie. Das bedeutet natürlich nicht, dass die durch KI generierte Thematik aus der Luft gegriffen ist. Genauso wenig, wie das in Filmen, in Serien oder Romanen der Fall sein muss. Aber es ist bei aller realitätsnahen visuellen Anmutung keine Abbildung von existierenden Dingen oder Umständen. KI generiert Fiktion. Damit ist ihre Fähigkeit vollständig umrissen. Sie kann Assoziationen und Vorstellungen auslösen. Sie kann mit diesen Vorstellungen gar Wirkung in der realen Welt schaffen. Aber sie belegt rein gar nichts. Es ist ausschließlich im Kopf geboren. Im Kopf der Betrachterinnen. Heute ist das noch an falschen anatomischen und an unphysikalischen Konstrukten in den Bildern erkennbar. Diese Art von Glitches werden mutmaßlich bald der Vergangenheit angehören und wir werden KI generierte Bilder visuell nicht mehr von Fotografien unterscheiden können. Solche Bilder gehören bald, vielleicht bereits heute zu unserem Alltag. Aber genauso, wie wir mit dem Realitätsbezug von Texten umgehen – was ist fiktional, was ist dokumentarisch – genauso werden wir auch mit diesen Bildern umgehen lernen.