Eine Fotografie ist ein Objekt, das unterschiedliche Aspekte in sich trägt. Sie kann ein physischer Gegenstand aber auch ein Datensatz sein. Sie kann dokumentarische Funktion haben, sie kann aber auch ein Abbild von etwas oder ein Symbol für etwas sein.
Die Funktion Dokument basiert auf der Verknüpfung des Bildes mit einem realen Objekt. Diese Verknüpfung bildet die Spur, die die Welt im Bild hinterlassen hat. Sie ist eine Ursache-Wirkungsbeziehung: ohne Welt – kein Bild. In diesem Sinne ist auch eine inszenierte Fotografie ein Dokument. Wichtig für den Begriff ist lediglich, dass da ein reales Objekt sich mit emittiertem oder reflektiertem Licht in die Fotografie eingeschrieben hat.
Die nachfolgenden Arbeiten nehmen thematisch dieses Feld in den Fokus. Muss die Spur wirklich eine physikalische Ursache-Wirkungsbeziehung sein? Das ist die These der „Silbersalzfraktion“. Oder ist auch eine logische Ursache-Wirkungsbeziehung denkbar? Das wäre eine notwendige Bedingung für den Wahrhaftigkeitsanspruch der digitalen Fotografie. Wenn nicht, was bedeutet das? Heißt das, dass sich der Apparat das Bild ausdenkt? Welche Auswirkungen hätte das auf die Nutzung von Bildmedien im Journalismus? Gibt es die Notwendigkeit Mechanismen für zusätzliche Vertrauenswürdigkeit in ein fotografisches Dokument in digitalen Zeiten zu schaffen?
Wie verhält es sich mit Fotografien, die ganz ohne Licht auskommen? Und solchen, die noch nicht einmal einen Apparat benötigen? Sind das dann noch Fotografien? Und wenn nein, welche Rolle spielt bei der Klassifizierung eines Bildes als Fotografie denn die fotografische Erscheinung (das Ikonische)? Kann man eine fotografische Anmutung denn vollständig in der Beurteilung eines Bildes ignorieren?
A la recherche de l’image réfléchissante
Die Arbeit Ala recherche de l‘image réfléchissante ist kurz vor Corona entstanden. Sie besteht aus 24 Fotografien von Fenstern. Alle Fenster sind baugleich, befinden sich aber in unterschiedlichen Stadien des Verfalls und in unterschiedlicher Interaktion mit ihrer Umwelt. Teils sind sie geschlossen und reflektieren die Welt hinter dem Fotografen, teils sind sie offen und bieten…
Dissolving Structures
Welche Eigenschaften sind für die fotografische Abbildung der Welt konstitutiv? Welches Bild entsteht beim fotografischen Akt und welches beim Betrachten einer Fotografie? Inwieweit ist Fotografie nur ein transparenter Prozess, der eine Durchsicht auf die Welt schafft? Die Fotografie als Medium wirkt stark über die Wahrnehmung des fotografierten Gegenstands, der festgehaltenen Situation. Der Prozess der Fotografie,…
Non è la realtà
In den vergangenen Arbeiten habe ich mich immer weiter an das Thema „opake Fotografie“ herangetastet. Die Wasseroberflächen haben sich recht weit von der unmittelbaren Erkennbarkeit als Bilder von Wasseroberflächen entfernt. Die Dissolving Structures sind Bilder, die in der Realität nie existiert haben. Beides Arbeiten, die die implizite Unterstellung Fotografie wäre ein Abbild der Welt, in…
Zero Shift
In Ergänzung zur Arbeit Non è la realtà hier die Untersuchung der Frage: Wie verändert sich das Bild, wenn ich den Bildcode manipuliere? In der aktuellen Arbeit wird dabei ein Bereich von 8 kB sukzessive mit 0-Werten in 512 Byte-Chunks überschrieben. (mehr …)
Sensor Selfies
Wenn es keine Ursache-Wirkungsbeziehung zwischen Welt und Bild in der digitalen Fotografie gibt, dann müsste man ja Bilder bekommen, auch wenn kein Licht den Sensor trifft. Vilém Flusser meinte, man müsse die Apparate gegen sich selbst wenden, um ihre Eigenschaften zu verstehen. Also: welche Bilder entstehen, wenn man überhaupt kein Licht an den Sensor lässt,…
Deprivation
Deprivation ist eine Kollektion von KI-generierten Bildern. Die Bilder beschäftigen sich mit dem Zusammenhang zwischen den möglichen Auswirkungen der Erderwärmung und Migrationsbewegungen – und damit mit der Entwurzelung von Menschen. Es ist eine Art Entbehrung oder Entzug – nicht nur von Gewohntem, auch von Existentiellem. (mehr …)