Ich habe, – die eine oder der andere wissen das, – ein durchaus ambivalentes Verhältnis zum Fliegen.
Ich fühle mich eingepfercht, häufig ist noch nicht einmal ausreichend Platz für die Knie. Und je nach Rücksichtnahme oder wenigstens Empathievermögen der vor mir sitzenden Person, rückt mir jene dann im Schlafmodus auch noch wörtlich mit ihrer Rückenlehne auf den Schoß. Es beginnt schon bei der Security, geht weiter über das nervige Anstehen beim Boarden, zu wenig Platz fürs Handgepäck, etc… Alles sinnvolle Hürden, aber trotzdem nur Streßfaktoren ohne den Hauch von „Fliegen ist schön“. Nicht zuletzt die Ökobilanz macht dann auch noch ein schlechtes Gewissen. Daher fahre ich auch – sofern ich die Möglichkeit habe – sehr viel lieber mit der Bahn. Ich geb’s aufrichtig zu: ich mache das auch tatsächlich mit Freude und Spaß (für Bahn-Bashing bin ich trotz manchen Widrigkeiten echt nicht zu haben). Nur das Fliegen bleibt nicht immer erspart.
Trotzdem: sobald der Flieger abgehoben hat, bin ich vom Draußen gefesselt, sitze ich nicht mehr im gefühlten Businessreisekäfig. Lass mich bei Start und Landung vom Spielzeugcharakter der Welt da unten fesseln. Bei klarer Sicht von der abstrakten Komposition der kleingekammerten, orthogonal voneinander abgegrenzten Acker- und Wiesenflecken faszinieren. Auch von den Spuren anderer Flieger, die ein manchmal recht dichtes Netz an Kerosinlinien hinterlassen.
Am meisten aber faszinieren mich Wolkenformationen. Mit dem Dunst des Hochnebels, durch den man über der Stadt in aller Regelmäßigkeit bricht, mit der lockeren Schäfchenbewölkung, manchen dunklen Regenwolken, ab und an Gewitterbergen und auch immer wieder Eiswolken die oberhalb der Reiseflughöhe eine erste sichtbare Grenze zur Stratosphäre bilden. So gelingt es mir mittlerweile den Stress wenigstens während des Fluges zu vergessen und eine eigene Reise mit dem Blick aus dem Fenster anzutreten. Klar: das auch häufig auch mit der Kamera. In den letzten paar Jahren sind dabei eine ganze Menge Bilder entstanden. Ich habe nun mal angefangen diese zu sichten und zu ordnen. Sie mal darauf abzuklopfen, ob sie etwas enthalten, das ich entwickeln könnte. Entwickeln im Sinne von „Sehe ich eigentlich schon genau genug da oben?“ und natürlich im Sinne von „Lässt sich mit den Bildern etwas erzählen?“.
Wofür ich diese Fragen stelle? Dafür gibt’s zwei Gründe – der Wichtigere zuerst: es ist meine primäre Motivation, quasi mein Thema schlechthin, zu schauen, zu lernen und zu verstehen. Den Dingen erst einen Raum im Kopf zu schenken und sie danach benennen zu können. Und der andere Grund: wenn es denn eine Arbeit werden soll, dann ist mein Anspruch schon, dass es nicht nur ein visuelles Erlebnis, quasi nur eye candy darstellt, sondern dass damit auch ein Gedanke, eine Thema vielleicht eine konzeptionelle Klammer verbunden ist. Doch, das brauche ich schon. Irgendwas scheint ja auch da zu sein. Ein Gedanken- oder vielleicht mehr ein Traumreisemoment. Ein Gefühl von Schwerelosigkeit. Das Staunen über die Schönheit auch oder gerade von „schlechtem Wetter“. Eine gewisse Ehrfurcht vor Großem. Vielleicht auch die Ahnung davon, dass da etwas Ungreifbares, damit etwas Unbegreifbares, auch etwas Archaisches ist. Eine Erfahrung, die uns im Alltag mit seinen doppelten Böden und Netzen häufig vorenthalten bleibt.
Es ist auch ein Raumerlebnis mit viel Tiefe und Weite, gleichzeitig aber auch mit einer Illusion von Nähe. Es ist ein menschenleerer Raum, einer, der zum Leben nicht geeignet ist. Nicht ganz so krass wie im Weltall, aber: -50 Grad °C, ein Luftdruck, der freies Atmen nicht erlaubt, Windgeschwindigkeiten, die wir am Boden nicht als angenehm empfinden, Strahlung, die dauerhaft nicht gesund ist, vom fehlenden Boden unter den Füßen mal ganz abgesehen. All das prägt dieses Raumerlebnis mit. Es wird durch die Kombination von einem Moment der Anziehung mit jener Lebensfeindlichkeit zu einem unerreichbaren Ort und damit zu einer Projektionsfläche von Gefühlen. Zum Raum von Schönem, vielleicht auch Hässlichem, sicherlich manchem Pittoresken und nicht zuletzt von Erhabenem. Zum einem ästhetischen Gebilde an sich. Aber ob das trägt? Und nicht nach dreimal ansehen verblasst?
Mit diesen ersten Überlegungen hab ich mal eine vorläufige Auswahl getroffen. Eine Serie, vielleicht auch schon eine Sequenz von Bildern, die dieser Motivation ganz gut Ausdruck verleihen können. Dennoch: es ist Work in Progress, lebt praktisch noch im Projektbrutkasten. Und solcherlei Brut zu hegen und zu pflegen, genau dazu dient ja dieser Blog.