Zentrifugal

Zentrifugal

Ich freu mich immer wieder, wenn ich von einer guten Autorin oder einem Autor Aufzeichnungen zu deren Frankfurter Poetik-Vorlesungen finde. Nein, nein, ich schaue da nicht systematisch nach, aber ab und an, da läuft es mir eben über den Weg. Dort dann auf eine sehr persönliche Art und Weise Arbeitstechniken und Ansätze zum Schreiben aber auch Selbstbetrachtungen nachzuvollziehen ist einfach Kopfvergnügen pur.

Vor Jahren schon Bodo Kirchhoffs Legenden um den eigenen Körper, dann Juli Zehs Treideln, was für mich im übrigen die schönste aufgeschriebene Poetikvorlesung ist, und nun, nachdem sie dieses Jahr den Georg-Büchner-Preis erhalten hat, Terézia Mora mit Nicht sterben.

Und wie ich gerade die – ja schon auch ein bisschen struppig formulierten – Vorlesungen so lese, da stolpere ich über ein Bild. Terézia Mora setzt (2. Vorlesung) ein Moment in den Raum, der für sie zum Kernpunkt von Erzählungen wird. Eine Urszene. Ein Ereignis, eine Begebenheit, die Wesentliches (das im Wesen treffende) einer Erzählung oder eines Roman in sich birgt und, die sie dann nutzt um daraus erzählerisch die Charakterzüge dieser Zentralszene zu extrahieren, zu detaillieren, zu präzisieren und zu entwickeln. Kurz: das ganze Werk quasi aus dieser einen Szene abzuleiten.

Ich las es, hielt inne, las es ein zweites Mal auch ein drittes, war fasziniert und kam zu der Frage: wie ließe sich denn eine fotografische Arbeit aus einem (einzelnen) zentralen Bild ableiten? Ein Bild, das nicht nur Aufhänger für Folgebilder in Sequenz ist, sondern, das in sich schon die Keime aller Bilder, die dann im Rahmen der Arbeit entwickelt und ausgeführt werden, in sich trägt?

Mich fasziniert dieser Ansatz. Ja, er hat sehr viel von dem Denken, das in Naturwissenschaften steckt: das Deduktive, das „ich kenne die Grundprinzipien und schaffe mir daraus Verständnis für vielerlei Ausprägungen“. Aber es geht auch darüberhinaus. Es birgt nicht nur das Replizieren von Mustern in sich, sondern das Entwickeln und Verändern. Der Bogen, der zeitliches oder narratives oder auch anders-miteinander-verbundenes spannend macht. Könnte das ein Ansatz für die Amsterdam Bilder werden? Oder für die Wolkenbilder? Oder einer Arbeit, die beides oder auch mehr umfassen könnte?

Urszene – zentrales Bild – zentrales Motiv

Gefällt mir. Gefällt mir ausgesprochen. Das lass ich mal in Herz und Hirn wirken.

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