Zwei Tage im Mai

Zwei Tage im Mai

Seit Wochen schon: wenn ich meinen Kopf anhebe und nach vorne schaue, dann endet der Blick. Er endet nach 40 Zentimetern an einem Bildschirm, oder nach zwei Metern am Fenster oder nach 20 Metern an der gegenüberliegenden Hauswand. Die Welt ist in den letzten Wochen klein geworden. Und mit der Schrumpfkur auch eng.

Und nun Urlaub… Eigentlich wollten wir jene Tage auf Sardinien verbringen. Taten wir aber nicht. Aus bekannten Gründen. Wie unterscheidet sich aber Urlaub zuhause von Arbeit zuhause? Ungefähr genauso, wie sich Arbeit zuhause von der Freizeit unterscheidet. Kaum. Es diffundiert. Es verschwimmt. Es ist schlicht entgrenzt.

Nun wurden aber die Einschränkungen der Bewegungsfreiheit mit Beginn unserer Urlaubstage gelockert. Was für ein schöner und angenehmer Zufall, meinte die Lebensgefährtin, wie wäre es denn, wenn wir einfach einen Tag mal an die Ostsee fahren würden. Die Strecke sollte sich in drei Stunden hin und abends in drei Stunden wieder zurück bewältigen lassen. Gute Idee, meine Antwort, so würden wir doch noch die See sehen können. Die Blickbegrenzung am Bildschirm, Fenster oder der Straße überwinden. Die Vorstellung mal über Kilometer hinweg ohne Begrenzung schauen zu können erschien auf einmal wie eine völlig neue Lebensqualität. (Beethoven muss so etwas empfunden haben, als er im zweiten Akt des Fidelio die „Namenlose Freude“ komponiert hat.)

Dann aber innehalten: wie sieht’s denn nun mit den Bestimmungen konkret aus? Was darf man denn nun wirklich, und was womöglich doch nicht. Vielleicht ergeben sich hier doch noch bislang übersehene Grenzen. Mit der Frage musste das Internet, besser gesagt die Webseiten der Landesverwaltung Mecklenburg-Vorpommern konsultiert werden. Mit dem ernüchterten Ergebnis: Übernachten geht, Tagesausflüge leider gar nicht. Bitte halten Sie, so der warnende Hinweis der Landesregierung, Ihre verbindliche Buchung einer Unterbringung griffbereit. Verbindliche Buchung. Bleiben Sie gemeldet. Puh, das klang schon fast nach DDR. Aber wir denken ja nichts Böses. Die Ketten müssen ja im Infektionsfall – Gott möge es verhindern – nachvollzogen werden können. Gut, sagte ich nach kurzem Nachdenken zur Liebsten, dann lass uns doch die Richtung wechseln. Wie wäre es denn mit dem Nordwesten? Schleswig-Holstein scheint hier nicht ganz so restriktiv zu sein. Und der Timmendorfer Strand wäre ja auch eine Variante.

Was ich aber im Überschwang der Idee übersehen hatte: damit würden sich An- und Rückfahrt um je eine Stunde verlängern. Acht Stunden aber für einen Tagesausflug war dann doch ein wenig zu viel. Das musste ich eingestehen. Schleswig Holstein fiele also als Tagesziel weg. Bleib also noch zu prüfen, ob es nicht vielleicht eine Übernachtung gebe. Also, in Mecklenburg-Vorpommern eben. Und diese war dann Gott sei Dank auch schnell gefunden. Zu unserem Vergnügen auch in Dierhagen und zu bezahlbaren Preisen.

Und so kam es dann: schnell recherchiert, gefunden, kurz entschlossen und gebucht – und dann auch gleich die Koffer gepackt. Auf nach Fischland.

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