A la recherche de l’image réfléchissante beschäftigt sich mit dem Thema Wahrnehmung, mit Erkennen und Verstehen. Es ist keine formale Untersuchung, sondern versucht mit ästhetischen Mitteln spielerisch und sinnlich einen Blick auf die Welt zu werfen und Roland Barthes Frage “Wie gelangt eigentlich der Sinn ins Bild?” nachzuspüren. 

Die Arbeit besteht aus vierundzwanzig digitalen Schwarz-Weiß-Fotografien, auf denen Fenster eines Gebäudes abgebildet sind. Dieses Gebäude gehört zu einem landwirtschaftlichen Anwesen im Umland von Berlin. Es ist in modularer Bauweise errichtet. Vierundzwanzig einzelne Segmente mit einfach verglasten Fenstern, hinter denen sich je ein Raum mit einer Tür verbirgt. Hinter diesen Türen scheint das Gebäude wieder zu enden. Sie führen ins Freie. Die Bauweise wirkt nicht massiv. Das Dach ist nicht mit Ziegeln, sondern mit Dachpappe, unter der als Dämmung Wabenpappe eingesetzt wurde, gedeckt. Vermutlich war das Gebäude zu Vor-Wende-Zeiten Teil einer LPG. Heute befindet es sich  im Zustand des fortschreitenden Zerfalls. Teilweise sind die Fensterscheiben zerstört, das Dach zusammengefallen, Regenrinnen verbogen. Es ist vom Einsturz bedroht.

Ausschnitt und Perspektive ist bei allen Fotografien immer gleich: der Betrachter befindet sich frontal vor je einem Segment mit Fenster. Der Abstand entspricht in etwa dem eines Gehwegs vor dem Gebäude. Im Moment der Betrachtung eines Bildes könnte man einfach vor dem Gebäude stehen geblieben und kurz innegehalten haben, um einen Blick auf Hauswand, Fenster, Spiegelung oder Innenraum zu werfen.  Die Einheitlichkeit der Standpunkte vor den Fenstern schafft eine gute Basis, um Vergleiche darüber anzustellen, was auf den Bildern zu sehen ist und welche Gedanken und Gefühle die Betrachtung auslöst. 

Alle Fenster sind mittig im Bild platziert und von einer Hauswand umrahmt. An deren rechter und linker Seite stellen Mauervorsprünge die Begrenzung des Segments dar. Die Fenster selbst sind nach rechts, links und oben mit einer Holzleiste zu den Mauervorsprüngen visuell eingefasst. In einigen Segmenten ragt die Dämmung des Dachs über den Rand nach unten. Manche der Fenster sind geschlossen, manche halb geöffnet, andere wiederum ganz. Die offenen Fenster gestatten einen Blick ins Innere. Je nachdem, ob von hinten durch eine geöffnete Tür oder durch Löcher im Dach zusätzliches Licht einfällt, lassen sich Details im Innenraum erkennen. 

Wo immer ein Blick ins Innere möglich ist, stellt sich auch dort eine Gleichförmigkeit der Räume dar. Die Türen befinden sich ebenso an denselben Positionen wie neben den Türrahmen die Kabelführung der elektrischen Leitungen. Sträucher ranken entlang der Wände und über die Fenster und verdecken so auf manchen Bildern zusätzlich mögliche Einblicke. Auf geschlossenen Fenstern entstehen Bilder, die die Welt im Rücken spiegeln. Die meisten Fensterscheiben sind im Laufe der Zeit mehr und mehr eingetrübt. Dadurch erhalten die Spiegelbilder eine malerische Anmutung.

Kompositorisch sind drei Ebenen erkennbar. Da ist zunächst die Ebene des „Innen“. Diese ist häufig gar nicht zu erkennen und wo immer doch ein Blick möglich ist, erscheint er unvollständig. Daneben konstituiert sich mit der sich spiegelnden Welt im Hintergrund eine weitere Ebene. Sie erscheint gemalt, impressionistisch angehaucht und mit einem Schuss Romantik versehen. Zwischen diesen beiden Ebenen, quasi als Grenzfläche, eine dritte. Diese umfasst Fenster, Hauswand, sich rankende Zweige und hängende Wabenpappe. Diese letzte Ebene mutet wie ein organisches Wesen an. Ein Wesen mit einer rissigen Haut, mit einem Auge, mit stilisierten Adern unter der Haut, mit Wimpern und Brauen. Es wirkt wie eine Metapher auf Zeit, auf Erinnerung, auf Spuren, die ein Leben hinterlassen kann. Als Betrachter kann man fast eine persönliche Beziehung zu diesem Wesen aufbauen. Die Bilder werden so auch zu einem Spiegel.

Neben dieser Empfindung bildet die Arbeit aber auch ein Modell von Wahrnehmung, Welt und Wirklichkeit ab. Wir nehmen über unsere Sinnesorgane die Welt wahr. In unserem Kopf entsteht daraus ein Bild der äußeren Welt. Wirklichkeit ist aber mehr. Zu ihr gehören auch Assoziationen, die durch das, was wir wahrgenommen haben, ausgelöst werden. Sie kommen aus Erinnerungen und Erwartungen, aus Wünschen und auch aus Ängsten. Sie rahmen quasi die wahrgenommenen Bilder ein. Sie geben Kontext und Zusammenhang. Sie schaffen ein Verständnis über das Wahrgenommene. Sie erzeugen Sinn im Bild.

Die Fotografien bestehen aus genau diesen Elementen: die Fenster als Augen, durch die wir wahrnehmen. Bilder der Welt, die in das Auge fallen, werden durch andere Elemente eingerahmt. Durch rissiges Mauerwerk, durch Dachpappe, Regenrinnen und Sträuchern. Was wir in den Fenstern erkennen und wie wir darauf reagieren, wird ausgesprochen stark von dem jeweiligen Rahmen bestimmt. Gestrüpp nimmt uns die Sicht, herabhängende Pappen und geknickte Regenrinnen beeinflussen unser Gefühl beim Betrachten. Wie wir über das Abgebildete denken, und welche Gefühle das in uns auslöst, ist eine gesamtheitliche Wirkung von Fensterinhalt und Rahmen. 

A la recherche de l’image réfléchissante ist eine Arbeit über die Suche nach dem Widerspiegeln der Welt im Bild und das Nachdenken über die Entstehung von Verständnis aus dem Bild der Welt.