Ich übe noch.
Vor ca. 10 Tagen habe ich nun meine Zelte hier im Arbeitszimmer aufgeschlagen. Habe mir eine schnell-aufblasbare Büroumgebung installiert, der ebenso schnell wieder die Luft abzulassen ist. Das ist wichtig, weil ich mir hier keine tiefen und festen Arbeitsanker zu Hause installieren will. So habe ich das schon zu Freiberuflerzeiten gehandhabt – und so will ich das auch beibehalten. Abgrenzung ist ohnehin schwierig.
Ich übe noch.
Ein wichtiges Merkmal von Büro ist: Essen ist nicht verfügbar. Zwar gibt es bei uns Obst (grüne Bananen und mehlige Äpfel) und Gemüse (Möhren, Kohlrabi und vor allem ganz viel Radieschen, schmeckt alles gleich), und das hilft an manchen Tagen über den Vormittag hinweg, aber Essen ist dort eben auch mit einem Ortswechsel verbunden. Das ist zu Hause komplett anders. Aber das habe ich, glaube ich, ganz gut im Griff: habe abgenommen, ein Zeichen, dass ich es hier nicht übertreibe.
Aber: Kaffeetrinken, mein Kaffeeverbrauch ist hier hoch. Vermutlich zu hoch. Das geht ein bisschen auf’s Kaffee und Milchbudget, beides steht für mich ganz oben auf der Mangelwirtschaftsindikatorentopten.
Skeletiert steht der Kreisel da. Gebaut wird daran ja schon jahrelang. Seit Herbst letzen Jahres ist er aber komplett entkernt und vor einigen Wochen haben sie damit begonnen ein Außengerüst hochzuziehen.
Ein bisschen fühlt sich die Situation auch so an: skelettiert. Auf’s Notwendigste reduziert. Ein Gefühl von Existentiellem taucht am Horizont auf. Vielleicht wegen der Versorgungslage, auch wegen Reduktion des sozialen Lebens, aber auch wegen einer diffusen und unsichtbaren Bedrohung.
Eine merkwürdige Feststellung.
Vielleicht bin ich da hypersensibel, vielleicht auch medial hyperbeeinflusst. Fakt ist, ich – wir haben das hier noch nicht erlebt. Und wissen nicht, wie damit umgehen.
Ich weiß nicht, wie damit umgehen.
Ich übe noch.
Wie lange das so gehen mag? Welchen Zweck die Maßnahme hat, das habe ich schnell verstanden. Schon im Studium haben wir uns fasziniert mit epidemiologischen Modellen beschäftigt. Erste Programmierübingen damals noch in FORTRAN 77 an VAXen.
Vielleicht sollte ich einfach die Frage nicht stellen. Sondern, wie einer meiner Kunden mir die Woche geschrieben hat: auf Sicht fahren. Geht ja ohnehin nicht anders…
Ich übe noch.
Nach drei Tagen heftiger Migräne mir vorzustellen, dass ich morgen wieder arbeiten muss und die Erholung dafür eher übersichtlich war. Dass der Begriff „morgen wieder arbeiten“ substanziell gar keine Veränderung bedeutet. Und ich morgen hier sitzen werde, mein Büro aufgeblasen vor mir, die Bose-Soundbox zur Telefonie mit dem Diensthandy verbunden. Weil den ganzen Tag mit Knöpfen im Ohr ist nicht gut. Und Headsets, die Kollegen habe es gerade versucht, derzeit vergriffen und erst ab Mai wieder verfügbar sind.
Es muss sich noch einschwingen und es wird sich noch einschwingen. Und Teamskonferenzen schaffe ich auch noch… im Selbstversuch halt. So wie gerade alles hier. Im Selbstversuch.
Macht es gut, da draußen.
tbc…