Der entscheidende Augenblick, eigentlich eher ein Antibegriff für mich, aber ich will ihn hier mal heranziehen um eine Frage aufzugreifen, die mir gestern begegnet ist: die Frage, „wie das ist, wenn man den Auslöser drückt“.
Wie ist das eigentlich, wenn man einem Bild in einem kurzen Augenblick Form und Gestalt verleiht, während jemand, der zeichnet oder malt, seinem Bild viel sehr mehr Zeit für das Werden und das Gestalt annehmen schenkt.
Ich reduziere das mal auf die „guten Bilder“, für mich jedenfalls. Gute Bilder entstehen nicht im Sitzen oder Vorbeigehen. Ich bin mittlerweile auch tief davon überzeugt, dass sie nicht ohne Arbeit, ohne Vorbereitung entstehen. Vorbereitung, das meine ich nicht notwendigerweise als Vorbereitung einer Inszenierung, sondern Vorbereitung im Kopf. Das Sehen auf bestimmte Aspekte zu trainieren. Beifang, das ist für mich das, was so nebenbei entsteht, ohne, dass ich einen mentalen Fokus darauf hätte. Viele dieser Bilder sind schön anzusehen, manche bilden etwas ab, das vielleicht auch als Botschaft gelesen werden könnte. Ich denke trotzdem, dass diesen Bildern etwas fehlt, das – hmmm, schwer auszudrücken -, ihnen so etwas wie Beständigkeit verleiht.
Wenn ich an einem Projekt arbeite, dann lese ich viel dazu. Schaue mir an, was andere dazu schon gemacht haben. Überlege mir, welche Art der Fotografie, welche Bildsprache eine zum Thema passende sein könnte. Versuche auch das Thema immer und immer wieder zu verbalisieren. Und ich fotografiere eine Skizze nach der anderen dazu. Meistens monatelang. Die Wolkenbilder sind zum Teil als solche Skizzen zu verstehen. Mein Fokus wird durch diese Skizzen auch klarer. Mit jedem Flug weiß ich genauer, was ich sehen möchte, und mit jedem Versuch erkenne ich, dass sich mein Blick entwickelt, dass ich präziser wahrnehme. Nicht, dass die Skizzen jedesmal klarer und präziser werden, nicht notwendigerweise, aber das Wahrnehmen von bestimmten Aspekten wandert dabei tiefer ins Unbewusste, ins Reflexartige, in eine Sensibilität des Augenwinkels und einer damit möglichen schnellen Kopfbewegung rein.
Nun der entscheidende Augenblick: in diesem nehme ich etwas im Augenwinkel oder suchend wahr – und dann sehe ich auch bewusst. Meist ist die Kamera schon griffbereit und voreingestellt. Fragen, wie Belichtungszeiten, wie Über- oder Unterbelichtung die stelle ich mir vorher. Das kann ich nicht beim Auslösen entscheiden. Da kann ich nur noch Ausschnitt und eventuell Standpunkt oder Orientierung wählen. Ich schaue also durch den Sucher und bin in diesem Moment hochkonzentriert und mental fokussiert. Ich merke nicht mehr, dass jemand eng neben mir sitzt (im Flieger ist’s halt eng), ich bin verbunden, verbunden mit dem was ich durch den Sucher sehe. Ich muss dann auch nicht mehr gestalten, das passiert irgendwie schon beim Sehen. Der richtige Ausschnitt, die passende Orientierung. Wenn ich in diesem Moment doch noch etwas ändern muss, dann bin ich draußen. Dann ist die Konzentration beim Fotografieren und nicht im Bild. Und ich kann sicher sein, dass es dann kein gutes werden wird.
Für mich ist Fotografieren ein Moment der Meditation. Einer, in dem ich komplett abgetaucht bin. Nicht mehr da, sondern im Bild. Ohne die Vorbereitung im Kopf, glaube ich, funktioniert es aber nicht. Der entscheidende Moment? Der in dem ich den Kontakt komplett in das Bild legen kann. In ein Bild, dessen Nährboden ich schon im Kopf angelegt habe. Und wenn es dann klickt, dann wird es ein gutes.
Martina
16 Mai 2018In dem Moment, in dem ich auslöse, bin ich in meiner eigenen Welt. Da ist niemand außer mir.
Das Foto als Poster – so richtig riesig!
Jürgen
17 Mai 2018Ja, das könnte ich mir gut vorstellen. Nur den Platz zum aufhängen bräuchte ich dafür 😉
Ich hab gerade ein paar Wolkenbilder ausbelichten lassen. 20×30 als Silbergelatine auf Baryt. Mal schauen, wie das so kommt. Ich könnte mir vorstellen, dass die im Rahmen, ev. sogar mit Passepartout gut funktionieren könnten…
Dankeschön 🙂
Tanja
16 Mai 2018Der Moment wo ich abdrücke ist der, wo der Wunsch so groß ist genau diesen für immer festzuhalten. Hinter jedem Bild steht eine Geschichte, eine Assoziation oder eine Erinnerung an Momente die es so nie wieder geben wird…
Jürgen
17 Mai 2018Hmm, ich glaube, da bin ich anders. Festhalten, gar für immer, nö. Die Dinge müssen sich verändern können. Das steckt zu tief in meinem Denken und Fühlen drin. Aber in dem Moment damit verbunden zu sein, das, glaube ich, steckt in guten Bildern drin. Und das unterscheidet sie von nicht so guten.
Roswitha
25 Mai 2018Dieses Gefühl der Verbundenheit mit der Welt, dem Motiv, kenne ich ebenfalls. Wobei ich mittlerweile glaube dass es diese Verbundenheit nicht gibt. Dieses Gefühl entspricht nicht dem, was ist. Wenn ich das Gefühl habe mit der Welt verbunden zu sein während des Fotografierens, so entspricht dies nicht dem Ist-Zustand. Der Ist-Zustand ist eher das Gegenteil davon. Ich falle aus der Realität sowie der Zeit für einen Augenblick heraus. So kann es mir passieren, dass wesentlich mehr Zeit vergangen ist wie in dem Augenblick wahrgenommen. Auch dass sich die Welt um mich herum ändert, ohne dass ich es bemerke.
Leider ist meine Kamera manchmal schlecht voreingestellt und so bringe ich von solchen Momenten überbelichtete oder unterbelichtete Fotos heim. 🙂
Jürgen
25 Mai 2018Es ist ein schönes Gefühl, diese Verbundenheit, oder? Ob es die Verbundenheit nicht gibt?
Du schreibst:
„Dieses Gefühl entspricht nicht dem, was ist.“
Nun, ich glaube es gibt diese von mir unabhängige Wirklichkeit gar nicht. Es gibt kein „was ist“, das da nicht aus mir selbst käme. Natürlich gibt es die Welt mit den Objekten und den Wechselwirkungen zwischen den Objekten. Aber Wirklichkeit ist mehr. Es ist die Bedeutung die diese Objekte annehmen. Und diese Bedeutung ist abhängig von mir (bzw. von jedem einzelnen von uns). Sie entsteht aus unserem Vorwissen, aus unserem Vorstellungsvermögen, auch aus Vorurteilen.
Damit ist die Verbundenheit schon auch etwas, das nicht mit den Dingen da draußen verbunden ist, sondern mit dem, was die Dinge da draußen für uns bedeuten. Doch, ich glaube schon, dass sie echt ist, und dass es sie gibt.
Dankeschön. Das ist fein, darüber nachzudenken. Macht Spaß.