Ich weiß genau, was ich vorhabe – ich werde mich sicher nicht von anderen davon abbringen lassen. Warum also sollte ich mich davor scheuen, etwas zu zeigen, etwas bewusst der Kritik auszusetzen.
So oder so ähnlich ist die Sichtweise, der ich häufig begegne. Sicher bin auch ich immer wieder in Phasen, wo so etwas zutrifft. Dann kann ich Kritik auch gut entgegennehmen. Etwas aus ihr ziehen, die dem Gegenstand der Kritik zu Gute kommt. Meist erlebe ich solche Phasen dann, wenn ich bereits eine konkrete Vorstellung vom Ergebnis im Kopf habe. Wenn das nicht der Fall ist, dann wirkt Kritik bei mir meist viel verheerender als sie gemeint ist.
Gestern war so eine Situation. Interessanterweise war der Umgang mit Kritik bereits vorher schon ein Thema. Ich habe mich durch diese vorhergehende Diskussion dann ermutigen lassen das Video über die Schlaflosigkeit in der Diskussion in der Fotogruppe zu exponieren. Als Fingerübung, als ein Ausprobieren im Umgang mit narrativen Elementen. Quasi als Vorstufe zu einem möglichen Fotoprojekt. Gut gelungen ist mir das nicht. Zum Einen ist das nicht angekommen, dass es wirklich nur eine praktische Überlegung, eine Skizze ist. Zum Anderen habe ich über die Entstehung erzählt; mit dem Ergebnis, dass nur noch darüber gesprochen wurde, dass das Ausgangsmaterial sich im Ergebnis nicht wiederfände.
Zwei Punkte haben sich dabei besonders tief in mir eingegraben:
- Ein Kollege fühlte sich „darum betrogen, dass [ich] die Biografie von Paul Celan nicht benannt habe; wenigstens doch im Abspann“. Ergänzt von einer Bemerkung von der Seite, ob das denn nicht auch in der Veröffentlichung bei vimeo ein rechtliches Problem darstelle. Was den den letzten Punkt anbelangt, die Quellen werden auf der Videoseite benannt. Ebenso, wie der Kontext des Ausgangsmaterial.
Ob das nun tatsächlich Betrug ist, dass ich ein Material verwendet habe, um Schlaflosigkeit zu thematisieren? Ob das wirklich Betrug ist, wenn ich Fotografie so einsetze, dass der Gegenstand, der beim Fotografieren vor der Linse war nicht nur nicht eindeutig zu identifizieren ist, sondern ganz bewusst als identifizierbarer Gegenstand gar keine entscheidende Rolle spielen soll?
Ja, Fotografie klebt an der Welt. Bedeutet das aber, dass ich keine Fiktion mit Fotografie betreiben darf? Ist das gewissermaßen Artikel 1 der Fotografenverfassung: „Du darfst mit einem Bild kein anderes Bild zu Gesicht bringen, als jenes, das zum Gegenstand gehört!“ ?
- Und Punkt Nr. 2 war der Hinweis, dass es sich beim Thema konstruktivistische Wirklichkeiten nun „nicht um eine neue Erkenntnis handle. Und als Gegenstand einer Fotoarbeit eher eine Banalität thematisiere“. Nun, welche Themen sind denn wirklich neu? Und ist das ein Schlüsselkriterium, dass man sich mit Banalem beschäftigt. Falls es denn überhaupt eine Banalität ist.
Beides Punkte, die mich schon ziemlich getroffen haben. Und die nun langsam ihre mindestens subkutane, wenn nicht gar intravenöse Wirkung entfalten. Ist das wirklich banal? Und ist es wirklich Betrug?
Ich fühle mich seit längerer Zeit einigermaßen unfotografisch unterwegs. Unkreativ und unproduktiv. Das Projekt habe ich mir genau deshalb ausgedacht, um einen Weg zurück ins Fotografieren und ins kreative Arbeiten zu finden. Passiert ist gestern nun, dass ich mich erstmal zurückgeworfen fühle. Entmutigt, das im Kontext der Fotogruppe weiterzutreiben.
Klar könnte ich nun hingehen und sagen, es ist mein Plan, mein Bild von einer Arbeit. Und ich könnte das trotz dieser beiden fundamentalen Punkten durchziehen. Tatsächlich bin ich derzeit weit weg davon mich sicher genug für einen solchen Weg zu fühlen.
Ich lass‘ es nun erstmal liegen. Vielleicht ist’s ja eher etwas, das ich alleine durchziehen muss. Vielleicht greife ich’s ja doch nochmal in der Gruppe auf. In jedem Fall braucht es aber erstmal Abstand die Kritik zu verdauen.